Sportabzeichen und ich - 2 Welten stoßen aufeinander

Seit einigen Jahren helfe ich beim Leichtathletiktraining in der Halle und auf dem Sportplatz, die Kinder auf das Sportabzeichen vorzubereiten, die Zeiten zu nehmen, die Weiten zu messen und feuere die Kinder dabei an oder gebe Tipps. Aber niemals, nein wirklich niemals, wäre ich alleine auf die Idee gekommen, dass ich selbst das Sportabzeichen machen würde.

Drei Jahre lang hat mir dann Herbert Bartsch versucht diesen Floh ins Ohr zu setzen und den Funken der Begeisterung bei mir zu entzünden. Doch drei Jahre lang hatte ich Rücken, passte es gerade ganz schlecht, ich hatte keine Lust, zu viel gegessen, wichtige Termine oder andere Ausreden, um ja nicht meine äußerst durchschnittliche Sportlichkeit in konkreten Werten offenbar werden zu lassen.

Dann vor zwei Jahren waren wir im Rahmen des Leichtathletiktrainings im Schwimmbad, um die Schwimmfähigkeit der Kinder abzuklären, die eine Grundvoraussetzung für das Sportabzeichen darstellt. Ich weiß nicht genau, was den Ausschlag gab, ich glaube, es war einfach aus einer kindlichen Laune heraus, jedenfalls sprang ich wie von wilden Hunden gehetzt ins Wasser und schwamm 25 Meter auf Zeit. Einschwimmen? Quatsch! Vorbereitet? Kein bisschen! Daher auch ein Muskelkrampf als gerechte Schelte meines Körpers für meinen Übermut. Es reichte aber , um in der Kategorie "Schnelligkeit" und meiner Altersklasse Gold zu erreichen. HA!!! Ich war bestimmt 20 cm größer als ich aus dem Wasser stieg, äh zuerst noch humpelte (s.o.)…

Irgendwie ein schönes Erfolgserlebnis, das ich auch in irgendeinem sinnvollen Zusammenhang sehen wollte. Ein Bann war gebrochen! Ab jetzt übten wir gemeinsam mit einigen anderen Müttern, nicht viel aber immerhin und nach unserer Trainingseinheit auf dem Sportplatz am Mittwoch blieben wir noch etwas um Kugel zu stoßen oder Weitsprung zu üben.

An einem Samstagmorgen fuhr ich mit Daniela nach Netze auf den Ederseebahn-Radweg, um dort 20 km auf Zeit mit dem Rad zu fahren. Von Netze führte uns ein relativ ebener und gut ausgebauter Fahrradweg bis nach Höringhausen und zurück. Gemeinsam und doch jeder für sich versuchten wir die Strecke in der uns möglichen kürzesten Zeit zu absolvieren. Eine erneute Herausforderung, da ich relativ selten Rad fahre, was meine Beinmuskeln mir am nächsten Tag auch ernsthaft mitzuteilen versuchten. Als wir aber schweißnass und außer Puste bei Kilometer 20 angekommen waren, waren wir total ausgelassen und freuten uns über den gelungenen Kraftakt. Dummerweise posteten wir vor Stolz und Begeisterung solche albernen, verschwitzten und völlig fertigen Selfies von uns, dass der Verdacht nahelag, dass wir in einer akuten Notlage wären und ein Sauerstoffzelt und ärztliche Notversorgung sehr dringend bräuchten. In Wahrheit brauchten wir aber etwas ganz anderes und nach einer netten Regenerierungsphase im Pfannkuchenhaus mit leckerem Milchkaffee waren wir wieder hergestellt und die Kategorie "Ausdauer" erfüllt.

Schwieriger gestaltete sich für mich die Kategorie "Koordination". Beim Weitsprung bin ich nicht wirklich der Held, obwohl mir die Kinder die Daumen drückten, gelang mir noch nicht einmal die absolute Mindestweite. "Viel Glück!", rief Sophia mir nach, als ich zum ich-weiß-nicht-wievielten-Mal Anlauf vor der Sprunggrube nahm. Nachdem auch dieser Sprung misslungen war, teilte ich Sophia geknickt mit, dass der Erfolg meines Sprunges weniger mit Glück als mit Schwerkraft zu tun hätte. Sie überlegte kurz und rief mir nun bei meinem nächsten Versuch ein begeistertes "Viel Schwerkraft!" hinterher. Vor Lachen konnte ich nur noch in die Sprunggrube stolpern und beschloss, auf Alternativangebote in dieser Kategorie auszuweichen. Einige Wochen später kam ich dann mit Seilspringen zu meinem Ziel. Das Sportabzeichen war geschafft und Herberts Versuche den Funken der Begeisterung bei mir zu entzünden hatten Erfolg. Der Funke glimmte auch das letzte Jahr weiter und wird auch dieses Jahr überstehen. Genauso wie ihr habe ich immer zu wenig Zeit für Sport, fahre viel zu viel Auto und bewege mich zu wenig. Das Sportabzeichen erinnert mich aber daran, dass Bewegung und Sport nicht nur den Kindern guttun und setzt mich unter den für mich nötigen Druck, meine schwachen Gliedmaßen in Bewegung zu setzen und meinen inneren Schweinehund Gassi zu führen.

Vielleicht hilft euch mein Bericht dabei, euch zu überwinden und es selbst zu probieren. Vielleicht lest ihr das und ihr probiert es gemeinsam mit uns und euren Kindern einmal aus. Vielleicht wundert ihr euch auch, was alles in euch steckt. In euren Kindern findet ihr tolle Trainingspartner, bei uns zuhause haben wir zu dritt im Sommer dasselbe Ziel, was uns verbindet und zu schönen gemeinsamen Aktionen führt. Traut euch, es macht Spaß und ist keineswegs nur was für Sportskanonen.

Wir sehen uns - vielleicht nächste Woche auf dem Sportplatz?

21.04.2017

Silke Gersbeck

Information

Sport wird verbunden mit positiven Werten wie Fairness, Fleiß und Engagement.
Sportler gelten als zielstrebige und erfolgsorientierte Menschen. Dass die sportliche Aktivität nicht nur die Gesundheit fördert, sondern auch den Kopf frei für neue Gedanken macht, ist unumstritten.
Der erzielte Gewinn durch den regelmäßigen Sport ist viel größer als die mögliche Gefährdung.